Da gibt es für mich keine einfache Antwort, aber tendenziell würde ich antworten: ja, sie hat.
Hier meine übliche Wortwand zur ausführlichen Darstellung meiner Meinung:
Die GDL geht ungeschickt vor und lässt sich von der Bahn vorführen.
Man vertraut darauf, im Recht zu sein (was durchaus stimmen mag - die Meinungen gehen auch hier auseinander) und streikt munter vor sich hin.
Anstatt sich auf den Güterverkehr zu beschränken, dessen Bestreikung bei der Bahn sicher ähnlich wirksam wäre, wird der gesamte Zugverkehr bestreikt und damit die Geduld aller Bahnkunden strapaziert.
Die GDL hätte eine weit bessere Presse, würden nur amorphe Güterkunden auf ihre Ware warten. Da aber jetzt Lieschen Müller nicht zur Arbeit kommt oder Rudi Reporter seinen Kurzurlaub streichen muss, kochen die Emotionen allgemein hoch. In diesem Ausmaß haben die Passagiere allmählich kein Verständnis mehr - vor allem auch, weil Herr Weselsky die Gründe für die diversen Streiks nicht vermitteln kann und die Passagiere nicht einsehen, dass sie für etwas leiden müssen, das sie nicht nachvollziehen können ("Machtgelüste einer Minigewerkschaft").
Im ARD-Morgenmagazin sprach Claus Weselsky heute ständig von einem Grundrecht, das die Bahn der GDL nicht zugestehen wolle. Das klingt nobel, aber anders als die Aussagen, die er bisher machte. Vielleicht hätte er sich gleich zu Anfang des Streits überlegen sollen, was er sagt - und vor allem, wie. Da stellt sich für mich die Frage:
Worum geht es eigentlich bei dem Streit?
Ich fasse mal zusammen, was ich weiß - die genauen Zusammenhänge kennen wahrscheinlich nur Gewerkschaftsmitglieder oder Verhandlungsführer.
In einer Vereinbarung von Ende 2009 oder Anfang 2010 wurde festgelegt, dass die GDL bis 2013 die Zugbegleiter nicht vertreten darf. Diese Abmachung ist ausgelaufen und die GDL will jetzt für die etwa 30% der Zugbegleiter der Bahn, die Mitglied der GDL sind, Tarife aushandeln - was die Bahn der GDL nicht zugestehen will.
Damit spricht die Bahn der GDL direkt das Recht ab, ihre Mitglieder zu vertreten, worauf letztere mit Streik reagiert.
Die Gewerkschaft hat jetzt nicht viele Möglichkeiten, anders zu reagieren - schließlich hat sie ja auch die Pflicht, ihre Mitglieder zu vertreten.
Wäre die GDL weniger auf Krawall gebürstet, könnte sie zusammen mit den anderen im Betrieb vorhandenen Gewerkschaften eine gemeinsame Front bilden und Mindestforderungen für ihre Mitglieder ausmachen. Inwieweit das funktioniert, hängt auch von den anderen Gewerkschaften zusammen. Möglicherweise wird das nichts.
Andere Option: Die GDL könnte sich zu moderierten Gesprächen mit den Vertretern der Bahn treffen, also Mediatoren zu den Gesprächen einladen. Gibt die Bahn dann in dem bewussten Punkt nicht nach, kann man trotzdem eine Vereinbarung unter Vorbehalt der Gesetz- und Satzungsmäßigkeit treffen und dann dies prüfen lassen, bevor man endgültig zustimmt. Wenn man das entsprechend in den Medien verbreitet, hat die Bahn den Schwarzen Peter und es wird klar, wo das Problem liegt.
So sehe ich das.
Was ich aber nicht verstehe, ist, wie die Bahn es schafft, die GDL medial vor sich herzutreiben und wie die GDL bei dem Spiel auch noch mitmacht.
- Wenn angeblich so gute Gründe für einen Streik vorhanden sind - warum kann man das nicht vernünftig kommunizieren?
- Wenn die Bahn Falschmeldungen lanciert - warum erwirkt man keine Gegendarstellungen oder gerichtliche Verfügungen und gibt entsprechende Pressemeldungen heraus? Die Bahn tut das doch auch - gerade heute versucht sie, gerichtlich gegen den Streik vorzugehen und gibt eine entsprechende Meldung heraus. Kann die GDL das nicht auch tun?
- Wenn man streiken muss - warum nimmt man sich die Passagiere nicht als Verbündete im Kampf, sondern düpiert sie immer wieder? Weshalb versucht die GDL nicht, die Öffentlichkeit mehr für ihre Sache zu gewinnen, anstatt sich mit jedermann anzulegen?
- Warum ist Herr Weselsky unfähig, der Bahn öffentlich Angebote zu machen, die jedem Zuschauer vernünftig klingen, aber von der Bahn abgelehnt werden? Die Bahn macht genau das mit ihm - es werden Angebote unterbreitet und Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Die GDL lehnt von vorneherein ab und steht als Bremser in den Verhandlungen da.
Mit etwas mehr politischem Gespür könnte die GDL in der Volksmeinung (evtl. sogar in der BILD) deutlich besser dastehen. Das würde auch den Druck auf die Politiker, gegen diese Streiks vorzugehen, verringern. Ein Streik, dessen Auswirkungen eher im Hintergrund bleiben, wird viel leichter akzeptiert als einer, bei dem fast jeder betroffen ist.
Von daher hat die GDL den Bogen schon mit dem ersten Streik überspannt, bei dem Personenzüge betroffen waren.
So meine ausführliche Meinung.